Antriebslos und traurig zu sein – diese Merkmale gelten allgemein als typische Zeichen einer Depression. Bei Männern aber ist es häufig anders: Sie haben gerade anfangs ganz andere Symptome als Frauen.
Verborgene Symptome bei Männern
Laut Statistiken werden fünf von 100 Männern depressiv. Bei Frauen liegt die Zahl doppelt so hoch. Trotzdem ist die Suizidrate bei Männern dreimal höher. Fachleute vermuten, dass die Krankheit bei ihnen oft übersehen wird, weil sie gerade am Anfang der Depression andere Symptome haben. Die Spannungen führen oft zu vermehrtem Alkohol- oder Drogenkonsum. Betroffene stürzen sich in die Arbeit oder treiben exzessiv Sport. Viele ziehen sich komplett zurück. Diese Verhaltensweisen passen nicht zum „typischen“ Erscheinungsbild von Depressionen, zu dem eher Antriebs- und Freudlosigkeit, Weinen und Grübeln gehören. Zwar kommen diese Symptome auch bei Männern vor, werden aber deutlich seltener berichtet.
Psychische Probleme und Männlichkeitsideale
Psychische Probleme passen nicht zu traditionellen Männlichkeitsidealen. Oftmals tun sich viele Männer schwer, ihre Gefühle zu benennen. Dadurch nehmen sie ihre Symptomatik nicht wahr. Hinzu kommt, dass alte Männlichkeitsideale mit Stärke und Macht verbunden werden – dazu passt keine Depression. Dass Männlichkeitsbilder, Depression und Vorbehalte gegenüber einer Therapie zusammenhängen, zeigt eine Studie der American Psychological Association mit 19.000 männlichen Teilnehmern: Je größer die Ausrichtung nach maskulinen Rollenbildern, desto stärker stieg das Depressionsrisiko und desto seltener suchten sie therapeutische Unterstützung.
Gendersensitives Diagnoseinstrument für bessere Früherkennung
Viele Männer suchen sich erst Hilfe, wenn sie körperliche Symptome wie Schlafprobleme, Herzrasen und sexuelle Funktionsstörungen zu sehr belasten. Allerdings kommen Hausärzte und -ärztinnen dann zu selten auf die Idee, eine mögliche Depression abzuklären. Auch sie verbinden die Krankheit mit Niedergeschlagenheit und Antriebsarmut. Darum wurde ein gendersensitives Depressionsscreening entwickelt, das gezielt auch typisch männliche Symptome abfragt. Mit Erfolg: Es konnte bis zu 18 Prozent mehr Männer mit Depressionsrisiko identifizieren als ein Standardinstrument.
Biochemische Unterschiede und Risikofaktoren
Warum drücken sich Depressionen bei Männern anders aus als bei Frauen? Ein Grund ist ihre spezifische biochemische Reaktion auf Stress. Dabei wird neben Adrenalin auch Vasopressin ausgeschüttet – ein Hormon, das mit Aggression und Verteidigungsverhalten zusammenhängt. Außerdem liegen der Krankheit tendenziell andere Auslöser zugrunde: Frauen werden eher depressiv, wenn sie chronische Konflikte in sozialen Beziehungen erleben. Männer dagegen bei Trennung, Arbeitslosigkeit, Pensionierung, Alleinleben oder bei fehlender Anerkennung am Arbeitsplatz.
Männerzentrierte Therapie: Geschützter Rahmen für sensible Themen
Mittlerweile bieten immer mehr Kliniken spezielle Angebote für Männer mit Depressionen. Dazu gehört, dass Männer in der Therapie unter sich bleiben. In den Gesprächsgruppen geht es oft um sexuelle Funktionsstörungen im Rahmen von Depressionen, etwa Libidoverlust oder Erektionsstörungen. Und da sagen die meisten: Das würden wir nie ansprechen, wenn Frauen mit dabei sind. Außerdem ist Sport hilfreich, weil dabei stimmungsaufhellende Hormone wie Dopamin, Serotonin und Endorphine verstärkt ausgeschüttet werden. Angeboten werden Kraft- und Ausdauersport, Bogenschießen, Tischtennis, Klettern sowie Yoga und gezieltes Achtsamkeitstraining. Diese Sportarten fördern Konzentration, Selbstvertrauen und die eigene Körperwahrnehmung – etwas, das gerade depressiven Männern häufig fehlt.
Fazit
Depressionen bei Männern äußern sich oft anders als bei Frauen und werden daher häufig nicht erkannt. Ein gendersensitives Diagnoseinstrument kann helfen, diese Unterschiede zu berücksichtigen und mehr Männer mit Depressionsrisiko zu identifizieren. Eine männerzentrierte Therapie, die spezifische Bedürfnisse und Symptome berücksichtigt, kann zudem den Behandlungserfolg verbessern. Es ist wichtig, dass gesellschaftliche Männlichkeitsbilder überdacht und psychische Probleme offen angesprochen werden, um die Hemmschwelle zur Suche nach Hilfe zu senken und die Gesundheit von Männern zu fördern.
Referenzen
Wong, Y. J., Ho, M. H. R., Wang, S.-Y., & Miller, I. S. K. (2017). Meta-analyses of the relationship between conformity to masculine norms and mental health-related outcomes. Journal of Counseling Psychology, 64(1), 80-93. https://doi.org/10.1037/cou0000176
Zusammenfassung: Diese Meta-Analyse untersucht den Zusammenhang zwischen der Konformität zu traditionellen männlichen Normen und verschiedenen mentalen Gesundheitsindikatoren. Die Analyse umfasste Daten von über 19.000 Teilnehmern und fand heraus, dass eine stärkere Konformität zu männlichen Normen mit schlechteren mentalen Gesundheitsoutcomes, einschließlich Depressionen, verbunden ist und dass Männer, die sich stärker an diese Normen halten, seltener therapeutische Unterstützung suchen.
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